„Tempora mutantur“ – Die Zeiten ändern sich. Für bislang keine Generation ist diese uralte Weisheit so relevant wie für unsere. Und keine Generation musste so oft erkennen, dass Altes nicht immer ein in der Gegenwart Bewährtes ist. Ich war bereits volljährig, als einer verheirateten Frau erlaubt wurde, ohne Zustimmung des Ehemannes eine bezahlte Arbeit anzunehmen. Und ich bin noch keine 70!
Ich hoffe, niemand wird heute noch bestreiten, dass diese Gesetzesänderung im Jahr 1977 ein Fortschritt war. Manche Dinge sind schlichtweg aus der Zeit gefallen. Ich habe die Ahnung, dass in Bälde ein Ritus der Vergangenheit angehören wird, zu dem wir lange Jahre keine Alternative kannten. Die sogenannte Erdbestattung.
Ok, Cheops hat es mit seiner Pyramide ein wenig übertrieben. Und auch die Mausoleen wohlhabender Familien sind zumindest diskutabel, auch wenn es immer noch beeindruckend ist, zum Beispiel den Friedhof von Père Lachaise in Paris zu besuchen. Dennoch bedarf das Ende eingefriedeter, bepflanzter und entsprechend gepflegter Areale, die man Grab nennt, keines Gesetzes. Das Grab, das einen Sarg beherbergt, wird sich überholen.
Weil sich die Zeiten ändern. Sesshaftigkeit bemisst sich längst schon in Jahren, maximal Jahrzehnten. Die Nachfolgegeneration findet man nur noch selten in dem Ort, in dem die Eltern sterben. Und folglich verrotten die Grabstellen.
Das muss nicht sein, werden doch seit einiger Zeit andere Rituale angeboten. Es muss sich ja nicht gleich so abspielen, wie in dem österreichischen Hallstatt im Salzkammergut, wo die Verstorbenen nach wenigen Jahren aus Platzgründen exhumiert werden und deren Schädel dann mit Namen und Geburts- wie Todesdatum auf der Stirn in einem Beinhaus gestapelt werden.
Und selbst hier handelt es sich nicht um Pietätlosigkeit! Genauso wenig wie bei dem Verstreuen der Asche in einem Gewässer. Die Bestattung unter einem pompösen Grabstein kann von gefühlskalten Erben veranlasst sein, die kleine Aschewolke im Wind von tief empfundener Trauer begleitet. Aber die Urne in einer versiegelten Wand, die viele Jahre sauber und ordentlich aussieht, ist eine Lösung des Pflegenotstands auf deutschen Friedhöfen. Und um kurz persönlich zu werden: Ich hege viel Sympathie für Friedhaine.
Die Menschen werden andere Wege und Orte finden, um ihrer Lieben zu gedenken. Hoffentlich, denn der Wert einer Gesellschaft zeigt sich an der Form, mit der sie ihre Toten würdigt.
Kommentar schreiben