Wie man den Deutschen den Spaß am Fußball verdirbt

Die Fähigkeit, sich zu steigern, zeichnet nicht nur Sportler, sondern auch Unternehmen aus. So zum Beispiel Fernsehsender. Im ZDF wurde vermutlich vor einiger Zeit die Losung ausgegeben, eine Sendung zu produzieren, die noch langweiliger ist als die Tele-Tubbies. Und siehe da, mit der Produktion des Formats „Die Küchenschlacht“, in der jeden Wochentag, den der liebe Gott werden lässt, unbeholfene Laienköchinnen und -köche Würstel verbrennen, ist den Fernsehmachern in Sachen Langeweile wahrlich Großes gelungen.

Gestern Abend aber hat sich das vom Bürger finanzierte Zweite Fernsehen selbst übertroffen. Eine Stunde und 35 Minuten nahm man sich die Zeit, die Übertragung eines Fußballspiels vorzubereiten. Hätte man doch nur eine Kamera auf den Stadionrasen gerichtet, um den beim Wachsen zu beobachten, hätte das die Nerven des Zuschauers vergleichsweise zerrissen. Denn immerhin hat es etwa zehn Minuten gehagelt. Welch eine Spannung! Das wäre gekonnte Fernsehunterhaltung gewesen!

Stattdessen aber stellte man vier Gestalten auf den Rasen, die so viel zu sagen hatten wie vier Erdmännchen im Jaderberger Zoo. Gottlob gab es so brisante Themen zu besprechen wie die Schuhgröße des heutigen Debütanten oder die wichtige Frage, wo in ihren Wohnzimmern die beiden Veteranen in der Runde ihre Doublette des WM-Pokals untergebracht hatten.

Es folgte nach ungefähr 45 Minuten, in denen es Schlag auf Schlag gegangen war, das investigative Highlight: Ein heimlicher Besuch in der Umkleidekabine des deutschen Teams. Die talentierte junge Journalistin deckte denn auch gnadenlos auf, dass dem Jubilar Kimmich neben dem Trikot einen Riegel Kaugummi dargereicht worden war.

Wieder auf dem nur unwesentlich gewachsenen Rasen folgte die Frage an die Alibi-Frau in der Runde (ich weiß ihren Namen nicht): „Welche Bedeutung hat ein Spieler wie Joshua Kimmich für die Mannschaft?“ konterte diese gekonnt und mit einer für die Herren der Runde vermutlich beängstigenden Schlagfertigkeit: „Eine sehr große!“ Zeitweilig hatte ich den Eindruck, dass Per Mertesacker kurz vor einem Weinkrampf stand ob der Hilflosigkeit, wie man denn um alles in der Welt diese 95 Minuten rumkriegen sollte, die des Hagels wegen zu allem Überfluss auch noch 105 Minuten wurden.

 

Als dann jedenfalls Fußballgranden wie Rudi Völler mit Tränen in den Augen Joshua Kimmich einen Wimpel überreicht hatten, die Nationalhymnen abgespielt waren und die erste Wade sich spannte, um den Ball vom Spielfeldmittelpunkt fort zu bewegen, bin ich erschöpft ins Bett gefallen. Weitere anderthalb Stunden atemlose Spannung wollte ich meinem alten Herzen wirklich nicht zumuten. Das Morgenmagazin wird zum ersten Kaffee das Ergebnis für mich haben.

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